Ideen zur Pflegeausbildung
Gedanken zur Neustrukturierung der Pflegeausbildung
Neben der Form müssten auch die Inhalte der bisherigen Ausbildungsgänge einer systematischen Neubewertung unterzogen werden. In einer Vorbereitungsphase, die von pflegewissenschaftlichen Instituten geleistet werden sollten, sollte das bestehene System hinterfragt werden. Mögliche Fragen dieser Untersuchung könnten sein:
Welche Ausbildungsinhalte werden als besonders wichtig und hilfreich für die Praxis erfahren? Welche als weniger hilfreich? Welche als verzichtbar oder zu speziell?
Für welche Aufgaben in der Praxis hätte ich mir durch die Ausbildung mehr Rüstzeug gewünscht? In welchen Bereichen fühlte ich mich sicher / unsicher?
In der Vorwegnahme der zu erwartenden Ergebnisse, wer die Lehrpläne kennt und den Praxisbezug nicht verloren hat, kann da relativ schnell mit dem Rotstift rangehen und die überbordenden, wenige relevanten Inhalten wegstreichen. Wichtig ist, dass am Ende ein klares, inhaltliches Konzept herauskommt, um zukünftigen Pflegekräften die notwendigen Hilfen für die praktische Arbeit zu geben.
Meine Idee dazu:
Level 1. Grundausbildung Pflege 6 Monate.
Beginnend mit einem 1 monatigen Grundkurs Theorie, in dem die Grundpflege des Körpers, Hilfestellung bei der Ernährung, hygienische Grundlagen und wichtige Umgangsregeln vermittelt werden. Gefolgt von einem 4 wöchigen Praktikum, in dem den Schülern unter fachkundiger Begleitung Gelegenheit zur Umsetzung des Gelernten gegeben werden muss. Der 3 Monat wäre dann wieder Theorie mit dem Schwerpunkt: Reflektion der Erfahrungen im Praktikum. Was ging gut? Was ist mir schwer gefallen? Wie haben Patienten/Bewohner auf mich reagiert? Worauf müsste stärker geachtet werden? Zweiter Schwerpunkt sollte die Vermittlung kinestetischer Grundlagen für den sicheren Transfer von Bewohnern/Patienten sein, Rückenschonende Arbeitsweise, sowie Besonderheiten beim An- und Auskleiden, Betten und Lagern. Im 4 ten Monat sollte Gelegenheit bestehen das reflektierte Grundpflegewissen und die neu dazu gelernten Kenntnisse praktisch einzuüben. Wiederum unter Anleitung. Anschließend wäre erneut mit einer Reflektion und Aufarbeitung des in der Praxis erfahrenen zu beginnen. Denn nur auf diese Weise kann die notwenige Sicherheit im Umgang mit erlebten Situationen vermittelt werden. Ein weiteres Schwerpunktthema sollte die Kommunikation sein, wobei die Erfahrungen im Umgang mit Patienten/Bewohnern/Angehörigen oder Kollegen aufgegriffen werden können. Alles so konkret und praxisnah wie möglich. Im letzten Monat müssten außerdem die wichtigsten arbeitsrechtliche Grundlagen vermittelt werden. Ferner sollte Zeit zur Vorbereitung und Durchführung einer praktischen und theoretischer Prüfung mit abschließendem Zertifikat sein.
Eine solche Grundausbildung sollten alle durchlaufen müssen, die für längere Zeit in der Pflege arbeiten wollen bzw. für grundpflegrische Aufgaben in der stationären oder ambulanten Pflege eingesetzt werden. Sei es im Krankenhaus, Altenheim oder in der Kinderkrankenpflege. Wer nicht auf diesem Level stehen bleiben will, also nicht nur für grundpflegerische Aufgaben eingesetzt werden will, kann sich darüber hinaus weiterqualifizieren. Zum Beispiel:
Level 2: Fachausbildung Pflege
Hier sind verschiedene Varianten denkbar. Will man nicht alles verändern und bei den Ausbildungsrichtungen Kranken-/Kinderkranken und Altenpflege bleiben, würde mir das nachfolgend skizzierte, themenbezogenes Modulsystem gefallen.
Modul 1: Gesundheitslehre - Ernährung
Ernährungslehre - Stoffwechsel - Verdauung - Verdauungsappart, Ausscheidung. Ernährungsgewohnheiten, Ernährungsstörungen, Essstörungen, Mangelernährung, Krankenheiten auf Grund von Fehlernährungen. Gesunde Ernährung etc.
Modul 2: Gesundheitslehre - Bewegung
Anatomie und Physiologie des Bewegungsapparates - Bewegungsübungen, Verletzungen am Bewegungsappart, Krankheiten, Lähmungen, Hilfe und Hilfsmittel bei bewegungsproblemen, Schutz vor Kontrakturen und Dekubitus etc.
Modul 3: Geistige Gesundheit - Beschäftigung
Gehirn, Nerven, Denken-Lernen-Vergessen, gesunde Entwicklung und Förderung, Lernstörungen, Demenz, geistige Behinderungen, neurologische Krankheitsbilder - Umgang mit geistig behinderten Menschen. Volksseuche Demenz etc. Konzepte
Modul 4: Seelische Gesundheit und Miteinander
Der Mensch als soziales Wesen. Störungen im Miteinander, psychische Krankheiten. Hilfe in seelischen Notlagen, Kommunikation, Konfliktlösung, Deeskalation, Gewalt in der Pflege u.v.a.m.
Modul 5: Lebensgeschichte
Der Kreislauf des Lebens von der Zeugung bis zum Tod in seinen biologischen - sozialen - kulturellen - religiösen und historischen Facetten.
Modul 6: Behandlungspflege und ärztliche Assistenz
Ausgerichtet auf den Bedarf in der normalen stationären und häuslichen Pflege. Wundpflege, Sonden, Drainagen, Infusionen, Medikamentenlehre, alternative Behandlungs- und Pflegemethoden etc. Zusammenarbeit mit dem Arzt, rechtliche Aspekte.
Modul 7: Organisation und Administration in der Pflege
Dieser Teil sollte tatsächlich ziemlich am Ende stehen, weil die Auszubildenden während der Praktika ohnehin wenig Einfluss auf die Organisationsform haben und nur nach Anleitung dokumentieren sollten. Rechtskunde könnte ebenfalls am Ende stehen.
Insgesamt sollte auch das Level 2 so nah an der Praxis sein wie möglich. Fächer wie Physik, Chemie, Biologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik bringen in der heute vermittelten Form jwenig. Auch pflegewissenschaftliche Themen helfen an dieser Stelle niemanden weiter. Wichtige Inhalte daraus sollten jedoch themen- und fallbezogen eingebunden werden. Als Krankenschwester muss ich nicht jeden Muskel und Nerven mit Namen kennen und auch nicht jedes einzelne Krankenbild. Wichtiger wäre es aus meiner Sicht, krankmachende Mechanismen und Zusammenhänge zu sehen. Darum die Auswahl von Themenkomplexen die in Beziehung stehen wie (Ernährung - Verdauung - Ausscheidung - Stoffwechsel - Diabetes -Adipositas etc.) Nicht das abspeichern von Lehrbuchwissen bringt einen weiter, sondern die Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen und selbsständig ableiten zu können.
Im Unterschied zu der heutigen Ausbildung müsste die Schulung sozialer Kompetenzen im Fordergrund stehen und das geht am besten über Reflektion. Schulung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, Wechsel der Perspektive, Rollentausch. Auch die Kritikfähigkeit kann und muss geschult werden, sowie die Kommunikation mit Menschen die schwer zugänglich sind oder schwierig im Umgang.
Eine dreijährige Ausbildung - egal in welchem Beruf, ist immer in erster Linie auf die praktische Umsetzbarkeit ausgerichtet. Wer die biologischen Abläufe und Krankheitsprozesse im Körper bis ins Kleinste verstehen will, sollte Medizin studieren, oder aber über weitere Levels Spezialwissen aneignen.
Level 3: Spezialausbildung Pflege
Anästhesie -Intensivpflege, Wundbehandlung, Palliativpflege, Hygienefachkraft u.a.m.
Level 4: Studium Pflege
Pflegemanagement - Pflegepädagik - Pflegewissenschaft
Adelheid von Stösser, 09/2008